Spiritualität des Priesters

- Gott ruft in der Nacht:
„Der junge Samuel diente dem Herrn unter der Aufsicht Elis. Worte des Herrn waren damals selten, und es gab kaum Visionen. Eines Tages schlief Eli auf seinem Lager; seine Augen waren schwach geworden, und er konnte nicht mehr sehen. Die Lampe Gottes war noch nicht erloschen, und Samuel schlief im Tempel des Herrn, wo die Lade Gottes stand. Da rief der Herr den Samuel, und Samuel antwortete: Hier bin ich. Dann ging er zu Eli und sagte: Hier bin ich du hast mich gerufen. Der Priester Eli erwiderte: Ich habe dich nicht gerufen ...
Da begriff Eli, dass der Herr den Knaben gerufen hatte. Er sagte zu Samuel: Geh wieder schlafen. Wenn er dich noch einmal ruft, dann antworte: Rede Herr! Dein Diener hört ... Da kam der Herr, trat zu ihm und rief wie vorher: Samuel, Samuel!
Und Samuel antwortete: Rede! Dein Diener hört! ... Samuel blieb bis zum Morgen liegen, dann öffnete er die Türen zum Haus des Herrn“ 1Sam 3,1-15
Die Situation am Heiligtum in Schilo, wo Eli als Priester dient, erinnert mich an die Kirche bei uns. „Die Lampe Gottes ist noch nicht erloschen“ Der Betrieb läuft noch, aber wie lange noch? „Die Augen von Eli waren schwach geworden“, er blickt nicht mehr durch. „Worte des Herrn waren selten.“ Haben wir verlernt mit Gottes Anruf überhaupt zu rechnen? Gott hatte es nicht leicht durchzukommen, er muss dreimal rufen, Eli hatte sich an das Schweigen Gottes bereits gewöhnt. Der altersschwache Priester Eli aber hilft dem jungen Samuel seine Berufung zu erkennen.
Samuel hat keine schlaflose Nacht, sondern er bleibt bis zum Morgen liegen. Gottes Ruf führt auch in die Gelassenheit. Es hängt nicht alles von uns Priestern ab.
„Es ist umsonst , dass ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt, denn der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.“ Ps 127,2
- Du bist geliebt
Ein islamischer Mystiker fragt seine Schüler: „Worin besteht das rechte Verhalten Gott gegenüber?“ Sie antworteten: „Darin, dass man Gott liebt.“ Der Meister schüttelte den Kopf: “Nicht darin, dass ihr denkt, wir lieben Gott“, spricht er. „Wer denkt er liebe Gott, der steht noch unter dem Zwang. So sollt ihr sprechen: Ich glaube fest, dass Gott mich liebt. Das ist das rechte Verhalten Gott gegenüber.“
„Er hat uns zuerst geliebt“, heißt es im ersten Johannesbrief. 4,19
Descartes formulierte am Beginn der Neuzeit: cogito, ergo sum. – ich denke, also bin ich. Dieser Satz ist zu verkopft. Die christliche Alternative lautet: amor, ergo sum – ich bin von Gott geliebt, also bin ich. Die Liebe Gottes ist der Grund unserer Identität als Priester
- „Primizpredigt“ Jesu.
Jesus ging in Nazareth in die Synagoge und schlug das Buch Jesaja auf.
Er fand die Stelle, wo es heißt:
Der Geist des Herrn ruht auf mir,
Denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. Lk4,16-19
Das Evangelium wartet darauf aufgeschlagen zu werden in meinem Herzen, in meinem Leben.
- Stellvertretung und Vermittlung
Mose steht da, stellvertretend, zwischen Gott und den Menschen. Er steht vor Gott für das Volk und er steht für Gott vor dem Volk. Mose der Mittler zwischen Gott und dem Volk ist ganz Mensch, nicht einer der alles schmeißt und nie müde wird. Er lässt sich von Aaron und Hur unter die Arme greifen. Mose lässt sich helfen, er gibt seine Bedürftigkeit zu. Vgl.Ex 17,8-15
Es geht auch um den Dienst der Stellvertretung und Vermittlung. Mose kämpft nicht
beim Volk unten in der Ebene, sondern steht betend vor Gott für das Volk mit Aaron und Hur am Berg. Der Priester ist jemand aus dem Volk, ganz Mensch, und er steht für Gott vor dem Volk und für das Volk vor Gott.
- Sendung
Wohin ich dich sende, dahin sollst du gehen. Jer 1,7
und nicht, wohin ich gehen möchte, dahin sollst du mich senden.
Bei aller Bereitschaft sich senden zu lassen und im Boot der Kirche zu dienen, gibt es Grenzen.
Momentan werden Pfarreien für Priester, die noch nicht in der Pension sind, nur mehr im Zweier-, Dreier oder Vierer-Paket angeboten. Es kann nicht die Zukunft der Kirche sein, dass der Priester sich nur mehr in der Sakristei aufhält und für persönliche Begegnungen keine Zeit mehr hat. Wir dürfen die Verantwortung nicht auf Rom abschieben, wenn wir uns den Herausforderungen des Evangeliums stellen. Das gilt auch für die Sendung der Frau. Die bekannte Milieu-Studie zeigt auf, dass wir auch die Frauen in der Kirche zunehmend verlieren werden, wenn sie nicht mehr Verantwortung übertragen bekommen.
- Die leeren Hände
Bei der Priesterweihe wurden uns die leeren Hände aufgelegt. Oft stehen wir mit leeren Händen da, die können wir Gott hinhalten und sie falten oder zum Gebet erheben. Die Hände sind offen und leer, nicht so, wenn wir etwas im Griff haben. Den Geist, den wir bei der Weihe empfangen haben, haben wir nicht im Griff. Wir können ihn nicht machen, aber empfangen können wir ihn mit den leeren Händen, nicht herstellen, allenfalls darstellen.
Wir sind das, was wir durch Christus sind, nicht mehr und nicht weniger. Wir verkünden nicht uns selbst, sondern Christus als den Herrn.
- Liegen am Boden:
Bei der Weiheliturgie liegen die Priester am Boden, das ist die Wahrheit über uns, die Platzanweisung. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Priester dicht zu denen gehört, die am Boden liegen und niedergeschlagen sind.
Priester werden wir durch Gott: Seine Kraft ist in unserer Schwachheit wirksam 2Kor 12,9 Haben wir noch die Kraft junge Menschen zu begeistern? Können wir noch Signale setzen für das dritte Jahrtausend?
- Männer des Gebetes:
Seid ihr bereit euch dem Geist Gottes im Inneren zu öffnen, Männer des Gebetes zu werden? (Weiheliturgie) Für Priester ist Beten Beruf vgl. Daniel 6,8-17
„Als Daniel erfuhr, dass das Schreiben unterzeichnet war, ging er in sein Haus. In seinem Obergemach waren die Fenster nach Jerusalem hin offen. Dort kniete er dreimal am Tag nieder und richtete sein Gebet und seinen Lobpreis an Gott, ganz so, wie er es gewohnt war. Nun schlichen sich jene Männer heran und fanden Daniel, wie er zu seinem Gott flehte und betete.“
Die Priester sind dazu da, die Fenster offenzuhalten im Obergemach, den Durchblick freizuhalten auf Gott hin.
Eugen Roth:
„Ein Mensch nimmt guten Glaubens an,
er habe das Äußerste getan.
Doch leider Gott’s vergisst er nun,
auch noch das Innerste zu tun.“
- Seelsorge:
Rabbi Joschua ben Levi traf den Propheten Elija….
Er fragt Elija: “Wann kommt der Messias?“
Elija antwortet: „Geh hin und frage ihn selbst!“
„Wo ist er?“
„Er sitzt am Stadttor.“
„Wie kann ich ihn erkennen?“
„Er sitzt über und über mit Wunden bedeckt, unter den Armen. Die anderen legen all ihre Wunden auf einmal frei und verbinden sie dann wieder. Er aber nimmt immer nur einen Verband ab und legt ihn sofort wieder an; denn er sagt sich: „Vielleicht braucht man mich: wenn ja, dann muss ich immer bereit sein und darf keinen Augenblick säumen.“ (Traktat Sanhedrin)
Der verwundete Arzt als Leitbild des Seelsorgers. Wer als Seelsorger handeln will, muss unter den Armen und Verwundeten sein und sich ihnen zuwenden, nicht allen zugleich, sondern einem nach dem anderen. „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen besonders der Armen, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi („Gaudium et spes, Art 1)“
- Dienst des Wortes
„Was du verkündest, erfülle im Leben“ (Weiheliturgie) d.h. Lebe so, dass du gefragt wirst. Das Leben ist gefragt.
Der heilige Franziskus ermahnte seine Brüder: Die erste Form der Verkündigung des Evangeliums ist in Frieden ohne Streit unter den Menschen zu leben. Erst wenn sie das Gefühl haben, jetzt ist die Zeit reif, dürfen sie predigen.
„Die meisten Menschen haben Schwierigkeiten
mit den Bibelstellen, die sie nicht verstehen.
Ich für meinen Teil muss zugeben,
dass mich gerade diejenigen Bibelstellen beunruhigen,
die ich verstehe!“ (Mark Twain)
Paulus sagt in einem Atemzug: „Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt…“ Das Wort Gottes möchte ins Herz treffen, zum Herzensanliegen werden.
Jeder Christ ist gesandt zur Verkündigung. Der Priester erhält eine eigene Sendung (missio) d. h, das Wort, um das es geht, kommt nicht aus uns, sondern von Gott.
- Dienst des Brotes
„Das ist mein Leib für euch.“ 1Kor11,24 Bei der Wandlung werden auch wir zum Leib Christi.
„Empfangt, was ihr seid: Leib Christi,
damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“ (Augustinus)
„Er brach das Brot.“ 1Kor 11,24 Das Brotbrechen – So wird das Abendmahl von Anfang an bezeichnet. Das ist wie ein Zeichen: Das „Brot des Lebens“ wird gebrochen, damit es uns zuteilwird. Das Brot des Lebens kommt uns zugute, indem es gebrochen wird. Jesus geht seinen Weg bis zum Ende und zerbricht.
Ich möchte als Priester an den Bruchstellen des Lebens in meiner Pfarre präsent sein, damit sie Christus erkennen, wie die Emmausjünger.
„Gebt ihr ihnen zu essen…“ Mk 6,30-44 Hier die Predigt und das Reich Gottes, dort das Brot und das Leben. Diese Trennung macht Jesus nicht mit.
Die Verkündigung des Wortes Gottes ist wichtig. Gleich darauf fragt Jesus die Jünger “Seid ihr bereit, den Armen und Kranken beizustehen, Heimatlosen und Notleidenden zu helfen?“ Mit anderen Worten: „Gebt ihr ihnen zu essen“
- Die Charismen (Fähigkeiten, Talente, Gaben…) wecken.
Alle Christen tragen Verantwortung für den Dienst in der Gemeinde. 1Kor 12,7 Paulus möchte uns ermutigen die Begabungen und Berufungen in uns und um uns zu entdecken und zu fördern. Leitung bedeutet die Charismen der Gemeinde zu entdecken und zu fördern. Dienst der Einheit.
Das Charisma der Frauen zulassen und fördern. Die Zulassung zum Dienst des Diakons und des Priesters für Frauen in der katholischen Kirche ist noch nicht möglich, das ist ein Skandal,
- Diakon (Diener):
„Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ Mt 20,20-28
Schaut mich an: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“(28) Jesus hat sein Amt als Diakonie verstanden. Auch als Priester bleiben wir Diakone.
Die Fußwaschung unterstreicht dies. Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Joh 13,15
- Die evangelischen Räte:
„Wer es fassen kann, der fasse es“ Nur wer mit Gott fest verbunden bleibt und sich von ihm getragen weiß wird es fassen können bzw. leben können.
Armut
Wenn wir als Priester alles haben müssen, um glücklich zu sein werden wir unglaubwürdig. Jesus ermutigt uns das Vertrauen auf Gott zu setzen. „Euch jedoch muss es um sein Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben.“ Lk 12,31
Manche haben das Versprechen /Gelübde der Armut abgelegt und finden es nicht mehr.
Ehelosigkeit
In unserer psychischen und physischen Geschlechtlichkeit erfahren wir unsere Kraft und unsere Bedürftigkeit und Angewiesenheit (Gen 2,18: Gehilfin – Gefährtin)
Ehelosigkeit schafft Freiraum bedeutet aber nicht Beziehungslosigkeit. Wer beziehungsunfähig ist kann auch zu Gott keine Beziehung leben. Das Charisma der Ehelosigkeit auf Dauer ist schwer lebbar und nur für wenige bestimmt.
Gehorsam
Gehorsam, christlich verstanden, meint, dass wir nicht uns selbst gehören und darum nur auf uns selbst hören, sondern dass wir Gott gehören und darum auf ihn hören.
Auszüge vom Buch „Priester aus Passion“ Franz Kamphaus mit Impulsen von Franz Wenigwieser